sexuelle orientierung in der politischen bildung
fritz letsch
theaterpädagoge, im KollegEnkreis entwicklungsdienst theater - methoden in der Paulo-Freire-Gesellschaft eV
bi-helden.rtf 3 Seiten
während homosexuelle lebensformen in größeren städten und in aufgeschlossenen medien immer bekannter und möglicher werden, werden bisexuelle orientierung und partnerschaften im öffentlichen bild immer noch im graubereich von orientierungslosigkeit, unvollendetem coming-out und partnerwechsel dargestellt.
sexuelle orientierung in der politischen bildung
in der politischen auseinandersetzung ist die sexuelle orientierung immer wieder ein reduziertes thema: nachdem endlich die abschaffung des ns-§ 175 erfolgt ist, soll in gleichstellungs- und anti-diskriminierungs-initiativen die homosexuelle lebensform ohne angst ermöglicht werden.
gegen steuerliche familienpolitik durch ehe-privilegien statt entsprechender kindergeld-regelungen; aber für rchtliche gleichstellung von partnerschaften zu kämpfen ist sicher richtig, aber sexuelle orientierung wird auch hier meist schwarz-weiß als entweder / oder interpretiert.
die sexualwissenschaft hat dagegen seit mehr als 20 jahren die ambivalenz1 und veränderlichkeit der beziehungen in den lebensaltern festgestellt. wo wir uns vor jahren noch mit kategoreien wie ”schwule väter” beholfen haben, wurde damals (ca 1985) schon deutlich, daß diese bezeichnung nur für einen teil der gruppe stimmig war: bisexualität wurde damals als unentschiedenheit behandelt.
nachdem inzwischen ein bundesweites netzwerk bisexualität entstanden ist, sollte politische bildung und politische arbeit in den parteien daran nicht vorbeisehen: neben der achtung der entsprechenden gruppierungen transsexueller2, crossdressender3 und pädophiler (die in letzter zeit in äußert diskriminierender weise mit kindesmißbrauchenden gleichgesetzt wurden) ist auch auf die berücksichtigung bisexueller lebensumstände einzugehen.
regionale informations- und austausch-punkte
entsprechend der bewährten selbsthilfe und selbstorganisation im homosexuellen bereich könnten mit hilfe der politischen bildung regionale informations- und austauschpunkte geschaffen werden, die den einzelnen menschen neben der äußeren selbst-verständlichkeit hilfen zu neuem selst-verständnis anbieten und über krisen, trennung und neugestaltung hinweg zu lebensfreude in sexueller erfahrung und gestaltung begleiten.
dazu müssen weder neue einrichtungen noch etats und stellen, sondern nur ein offenes bewußtsein geschaffen werden. die bereitschaft sowohl zu eigener information als auch zu offenen gesprächen in der öffentlichkeit wollen aber gerade in diesem bereich erst einmal gelernt sein.
sexual-information als grundlage
in der sexualkunde unserer schulen scheinen die gebete des maria-goretti-kreises4 erfolg gehabt zu haben: äußert selten berichten schülerInnen über angemessen informativen unterricht. entsprechend gering sind fortbildungen und hilfestellungen für die lehrkräfte: nur wenige schaffen ein persönliches gespräch, das über die biologischen anteile hinausgeht. in anderen berufen ist es aber durchaus ähnlich: auch ärzte und mitarbeiterInnen im kranken- wie im gesundheitsbereich fühlen sich nicht auf information und beratung im sexualbereich vorbereitet, wie viele aids- informations-veranstaltungen gezeigt haben.
gerade in diesem kontext ist eine (vor allem auch zeitliche) verkürzung auf die bereiche verhütung, vorsicht und kondomgebrauch die typische aktuelle einschränkung der sexuellen identität: gefährlicher luxus.
damit bleiben auch die komplexen beziehungs-problematiken unbearbeitet, die hinter hohen scheidungszahlen, familientragödien, großer unzufriedenheit und ”wunschlosem unglück” stehen: fragen der bindungs- und beziehungsfähigkeit, erziehung dazu und dagegen, anteile von veranlagung und ”schuld”, lust und würde.
sexuelle identität wäre im gegensatz zu sexueller bevormundung und verdrängung ein notwendiger bestandteil einer gereiften persönlichkeit, die weder sucht, religiöser und moralischer abhängigkeit, noch in angst und schuldgefühlen verhaftet sein soll.
heldenreisen zur eigenen identität
in der schule der gestalt-therapie um fritz perls entwarf paul rebillot5 ein sehr schönes modell für einen mythisch fundierten6 therapeutischen prozeß, der der entwicklung der eigenen verschiedenen anteile und der selbst-definition der eigenen person dienen kann. der held / die heldin integriert dämon und persönliche ziele zu bewußter lebenshaltung, die kraft aus beidem bezieht.
natürlich kann das für die bildungsarbeit nur ein modell sein, an den angelehnt ich mir die vorbereitung und weiterentwicklung von selbsthilfe- und selbstorganisationsgruppen in den regionen vorstellen kann. an wochenenden könnten neben dem kennenlernen verschiedener orientierungen, erfahrungen und entwicklungen von den beteiligten selbst über ihre hindernisse hinweg arbeitsformen entwickelt werden, die positive leitbilder integrierter lebensweisen in ihrer umgebung und im regionalen und politischen kontext verteten können.
konzeptentwicklung
soweit die möglichkeit: zur verwirklichung ist neben einer grundsätzlichen politischen zustimmung die bildung und vorbereitung einer arbeitsgruppe nötig, die einerseits die bisherigen kontaktpunkte von selbstorganisation, ”szene7” und beratungsstellen der verschiedenen verbände anspricht und bei interesse einbezieht, andererseits für diese entwurfs-, einführungs- und fortbildungsveranstaltungen anbietet und organisiert.
dazu könnte mit der zeit die mitwirkung vieler teilnehmerInnen kommen, von denen manche nach vorbereitung und fortbildung weitere kreise und themen anstossen werden.
1ambivalenz: doppelwertigkeit, unentschiedenheit, zwiespältigkeit, widerstreit der gefühle, ja und nein
2transsexualität: ”im falschen körper geboren”, als jeweils im anderen geschlecht empfindend, zum teil mit dem bedürfnis der operativen korrektur.
3travestie und transvestitismus treffen das bedürfnis, die kleider des anderen geschlechts zu tragen, aber sich auch mit anteilen des anderen geschlechts zu identifizieren, nicht genügend. crossdressing wurde dafür ein internationaler begriff.
4erzkatholischer gebetskreis gegen sexualkundeunterricht, der lange zeit vor dem münchner kultusministerium rosenkranz-runden veranstaltete
5paul rebillot: the call to advanture, bringing the hero´s journey to daily life, Harpers NY 1993
eine kurze abhandlung dazu in deutsch in: stanislav und christina grof: sprituelle krisen, chancen der selbstfindung, kösel münchen 1990
6er
bezog sich dabei auf die mythenforschung joseph campbells, der an
den archaischen typen aller männlichen und weiblichen heldenmythen
arbeitete. http://heldenreisen.de
7”szene” meint im allgemeinen auch die einbeziehung von nicht-offiziellen treffpunkten, lokalen und kneipen
http://bi.eineweltnetz.org und http://bimuc.wordpress.com sowie http://bine.net
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