§175 - Die Geschichte der Ängste, der Liebe, der Kämpfe und der Verluste

Der Paragraph 175 hat in unserem Leben immer etwas bewirkt.

Eine Radiosendung dazu:

Ob wir uns dessen bewusst waren oder nicht, ob es ausgesprochen oder angedeutet, umschrieben oder verschwiegen war ... in der Familie, in Generationen, im Totschweigen.

Es ging nebenbei noch Vieles verloren, das wir noch nicht einmal ahnen, wie die Jugend- und Wandervogel-Bewegung vor 100 Jahren, die als "bündische Jugend" so gleichgeschaltet wurde wie die George-Kreise, die dem militaristisch-faschistischen System spät-romantische Germanen-Ideen einbrachten.

Eine zerbrochene Laute und die Bereitschaft zum Zeltlager

Es muss da einen Onkel gegeben haben, der so viele Lieder kannte ... und dann bekam die Mutter ihren traurigen Blick und erzählte niemals weiter, so dass ich auch bis heute nur Schlimmstes ahnen kann.

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Ganz anders reagierten die sonst eher autoritär-rigiden Eltern, wenn es später darum ging, ins Zeltlager zu fahren: Als Ministranten-Gruppe, später als Jugendgruppe, immer gab es jegliche Freiheit und Unterstützung. 

Es muss mit ihren eigenen Erfahrungen zu tun haben, die eine freiere Jugendzeit im 3. Reich ermöglichte, die sie uns aber peinlich verschwiegen hatten, einzig ein Foto von der leeren Terrasse hinter dem Haus der (damals: Deutschen) Kunst im Familienalbum gab einen Hinweis, der aber nicht entschlüsselt wurde.

"Junggesellen" gab es, die vorne in der Straße in einem alten Haus wohnten, "denen keine Frau gefiel", oder "die keine bekommen hatten", aus den Reden anderer gab es "Warme Brüder" mit Augenzwinkern und Gesten, aber ohne Erklärung, die Warnung vor fremden Männern mit Süßigkeiten, und "nie mit jemand Fremden mitzugehen", 

Die Unfähigkeit des angemessenen Reden

Wenn wir nicht lernen, die Bedürfnisse und Träume der Anderen in ihren Beziehungen und Wünschen zu verstehen, bleiben wir so primitiv wie das Hetero-Klischee der "proletarisch" dargestellten Kleinfamilien. Dumme Jungs und Mädels scheinen nicht mehr zu wissen ...

Die bürgerlichen Familien wissen um ihre Geheimnisse, um allerlei Onkel und Tanten in besonderen Verhältnissen, nicht nur in den seriellen Beziehungen, Ehen und Verhältnissen, auch von besonderen Fetischen, Gewohnheiten und Vorlieben.

Die besseren Familien delegieren kritische Fragen ans Personal, was auch schief gehen kann: 

Der Liechtenstein des Anstoßes


Die Phantasie der alten Damen und Herren ist schmutziger, als wir es denken:
Sie entlarven ihre eigene Phantasie und Vorstellung von Übergriffen,
statt zu fragen, welche Beziehungen andere Menschen haben.

Ich hätte ja gedacht, dass Leute, die selbst Kinder haben,
auch eine Vorstellung von Beziehung zu Kindern und Jugendlichen entwickeln,
aber bei einem Fürsten hat das wohl das Personal zu erledigen gehabt.

Ich hatte heute "meinen Mildenberger" wiedergefunden, in der "draussen lesen" Tasche,
und bin jetzt durch ein paar Jahrzehnte Pädophilie-Psychologie und Rechtsgutachten:
Beispiel: Peter Schult, Pädophilie im öffentlichen Diskurs, im Rosa Winkel Verlag

nebenbei kam - als es zu kalt wurde auf der Parkbank - der Gedanke,
die Geschichte mit Hans-Georg-K. -  endlich mal zu aufzuschreiben ...

... denn einen 15jährigen zu lieben und "Kinderpornografie" kommt mir jetzt erst komisch vor,
aber ich hatte damals in meinem Ärger über ihn und seinen Umgang mit mir nicht genauer nachgefragt.

Und heutige kurze Zusammenfassung: Pädophilie und Homosexualität wurden über die letzten Jahrhunderte auch immer mal vermischt, wie die Kirchenleute auch öffentlich immer nur von Sodomie redeten, um ihre Vorlieben nicht zu deutlich zu machen.

Magnus Hirschfeld und Sigmund Freud kamen sich bei dem Thema auch in die Quere, zerstritten sich:

Dabei hat anscheinend noch kaum jemand die Betroffenen qualifizierter befragt, wie sie selbst ihre Neigung erklären, was nach etlichen Jahrzehnten Psychoanalyse seltsam erscheint ...

Die "Sozialtherapie" im Knast in Kaisheim wurde mir jedenfalls als sehr primitive Wiederholung der Verurteilung in der Gruppe geschildert, aber das kann auch allgemeine Abwehr gewesen sein.

Selbsthilfegruppen gibt es seit Jahrzehnten, und das Projekt "Kein Täter werden" seit 1996, aber nach aktuellen Veröffentlichungen werd ich erst später schaun, der oben genannte "Mildenberger" ist überreich an alter Literatur, Medizin-Historiker eben ...

Aktuell arbeite ich an der Dokumentation gegen eine Diffamierung einer früheren öffentlichen Selbsthilfegruppe, die tiefer gehende Unterstellungen von Missbrauch enthält und die politische Arbeit gegen die Schutzalter-Regelungen des damaligen §175 ohne Unterscheidung von einvernehmlichen Beziehungen nach eigenen Maßstäben zu beurteilen meint und entwertet.

boardsteinschwubbe.de/schwulenchronic/175.php#175nachkrieg

"Am 23. November 1973 führte die sozialliberale Koalition schließlich eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts durch. Der entsprechende Abschnitt im StGB wurde von "Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit" in "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" umbenannt. Ebenso wurde der Begriff der Unzucht durch den der "sexuellen Handlungen" ersetzt. 

Im Paragraphen 175 blieb nur noch der Sex mit Minderjährigen als qualifizierendes Merkmal zurück, wobei man das so genannte Schutzalter von 21 auf 18 Jahre absenkte. Sexuelle Kontakte zwischen Frauen fanden im Strafgesetz keine Erwähnung. (Für Mädchen galt ein Schutzalter von 14 Jahren. Mit dem damaligen § 182 konnte auf Antrag eines Erziehungsberechtigten der sexuelle Kontakt eines erwachsenen Mannes mit einem Mädchen zwischen 14 und 16 geahndet werden.)

1986 brachten der erste offen schwule Bundestagsabgeordnete Herbert Rusche zusammen mit seiner Fraktion, den Grünen, einen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag ein, der die Streichung der Paragraphen 175 und 182 vorsah. Dies hätte die bestehende Ungleichbehandlung aufgehoben und das Schutzalter für alle einheitlich bei 14 Jahren festgelegt. 

Sowohl die damalige Regierungskoalition aus CDU und FDP als auch die SPD lehnten diesen Gesetzentwurf ab, was zu einem Weiterbestehen des Paragraphen 175 in der Fassung von 1973 bis zum Jahre 1993 führte. Einer der prominentesten Gegner einer Verbesserung der Rechtslage für Homosexuelle war Bundeskanzler Helmut Schmidt, der mit dem deutlichen Satz "Ich bin Kanzler der Deutschen, nicht Kanzler der Schwulen" eine Reform des Sexualstrafrechts kategorisch ablehnte." 


Auch Erika Mann schreibt nie über ihre Beziehungen, wie mit Therese Giehse, oder es wurde von der Familie zensiert, wie die Tagebücher von Klaus Mann, in deren Originalen mehr steckt, als der (ebenfalls, aber heimlich schwule) Golo Mann für seine Mitwelt für erträglich hielt.

Das Buch "Mephisto" auch über Gustav Gründgens, erkennbar in der Hauptfigur und im Spannungsfeld der Theaterkarriere und der faschistischen Bewegung, war in den 1950er Jahren durch einen Erben in Täuschland verboten.

Hintergründe


... "die Anstrengungen von Gemeinden, Gruppen und sozialen Organisationen, die Politik des Vergessens zu durchbrechen, und die zu diesem Zweck ihre Erfahrungen dokumentieren, Datenbanken erstellen und die Zeugenaussagen von lokalen und regionalen Führungspersönlichkeiten, von Überlebenden und Opfern von Gewalt wieder ans Tageslicht bringen, eine höchst wertvolle Leistung:

Angesichts des Mangels an verlässlichen Informationen von staatlichen Institutionen oder auch im Hinblick auf die in Kontexten von Krieg und Unterdrückung vorherrschende „Geheimhaltungskultur“ bieten diese Bemühungen um Dokumentation und Archivierung oftmals die Möglichkeit, verschwiegene Wirklichkeiten aufzudecken und die Geschichte umzuschreiben. (..)

Kritische Pädagogik und Forschungspraxen brechen also mit der Vorstellung, dass „Geschichte“ eine unpersönliche oder allgemeine Geschichte ist, die von außergewöhnlichen Männern und Frauen mit außergewöhnlichen Eigenschaften gemacht wird, von Menschen, die nichts mit all jenen zu tun haben, die wir aus dem täglichen Leben kennen. Insofern gilt in der partizipativen Bildung und Forschung, dass wir alle Geschichte schreiben, dass die alltäglichen Probleme auch von den großen gesellschaftlichen Konflikten handeln und dass die großen sozialen Veränderungen gerade im täglichen Leben beginnen. (...)

Wenn wir das alltägliche Leben als Lernraum betrachten, stehen wir auch vor der Herausforderung, Strategien zu finden, mit denen das in Alltagspraxen produzierte Wissen wiedergewonnen und in der Gemeinschaft wie auch von Seiten des Bildungssystems anerkannt wird. 

Hier geht es darum, Erkenntnisse und Erneuerungen in der pädagogischen Herangehensweise sowie im Verständnis für den sozialen und politischen Kontext im Dialog herauszuarbeiten und dabei auch die individuellen Zweifel und schmerzhaften Erfahrungen derjenigen einzubeziehen, die diese gemeinschaftlichen Prozesse der Wissensproduktion begleiten."


César Osorio Sánchez: Educación popular, partizipative Aktionsforschung, Friedensförderung in: S.43
Begegnung verändert Gesellschaft - Ansätze einer von Paulo Freire inspirierten Bildungspraxis von Annette Nana Heidhues, Ilse Schimpf-Herken, Mariana Schmidt Quintero (Hg.) ibidem.info 2021

Wenig Wissen über NS-Verbrechen

https://www.deutschlandfunk.de/darstellung-von-ns-verbrechen-in-schulbuechern.1148.de.html?dram:article_id=492406

Erika Mann: 10 Millionen Kinder

 1937 aus der Schweiz die Entwicklungen in Deutschland berichtet erleben:

Erziehung zum Morden

Das beschreibt Erika Mann ausführlich in ihrem Buch 10 Millionen Kinder, Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich das 1938 auch in Englisch in den USA erschienen ist: School for Barbarians. Education under the Nazis.

https://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Millionen_Kinder._Die_Erziehung_der_Jugend_im_Dritten_Reich „Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich von Erika Mann erschien 1938 im Querido Verlag, Amsterdam, als „politisches Lehrbuch“ über die wahren Verhältnisse in Adolf Hitlers „Tausendjährigem Reich“.

Unter dem Titel School for Barbarians. Education under the Nazis war dieses Buch Erika Manns wenige Monate vorher in den USA beim Verlag Modern Age, New York, zuerst in englischer Sprache veröffentlicht worden. Nach drei Monaten waren schon 40.000 Exemplare verkauft.

Nach dem Krieg wurde eine deutsche Ausgabe erstmals 1986 in der edition spangenberg im Ellermann Verlag veröffentlicht.

Ihr Vater Thomas Mann schrieb in der Einführung: „ […] Es ist merkwürdig genug, wie fruchtbar für die Gesamt-Erkenntnis der national-sozialistischen Sinnesart das Sonder-Thema des Buches, der erzieherische Gesichtspunkt sich erweist. Daß gerade eine Frau ihn wählte, hat nichts Überraschendes; aber überraschend ist, ein wie umfassendes und vollständig unterrichtendes Charakterbild des Hitler-Staates bei dieser thematischen Beschränkung zustande kommt […].“

In drei großen Kapiteln – Familie, Schule, Staatsjugend – untersucht Erika Mann, wie in Nazi-Deutschland die Kinder und Jugendlichen auf ihre Rolle in der Diktatur eingeschworen wurden. Sie verzichtet auf theoretische Darstellungen, um konkrete Beispiele aus Reden, Verwaltungserlassen, Aufsätzen, aus Zeitungen und Schulbüchern zu analysieren und ergänzt diese um persönliche Erlebnisse.[1] “

Bei rororo als Taschenbuch für 10:-

Nach viereinhalb Jahren im Schweizer Exil

beginnt es wie ein Krimi, die Berichte aus der Heimat in München zu hören: Eine gehobene Arzt-Gattin erzählt ihr in einem feinen Hotel, warum sie aus Deutschland weg will, ihres Kindes und seiner Zukunft zuliebe:

  "Und es wird schlimmer, natürlich wird es schlimmer - seit viereinhalb Jahren 
  ist es schlimmer geworden,  - mit allem, mit dem Essen und mit den Kleidern 
  und mit den Vorschriften und mit den Spitzeln. 
  
  Man lebt nicht unbedroht in unserm Land" fügt sie hinzu und schüttelt zornig den Kopf.
  "Keiner lebt unbedroht, der Harmloseste nicht, - jeder kann abgeholt werden ..."
 S. 15
  "Ich will, dass aus diesem Kindchen ein Mensch gemacht wird, - einer, der Wahrheit und Lüge
  auseinander halten kann, einer, der die Freiheit kennt und die Würde und die wirkliche Vernunft,
  - nicht einer Vernunft, die sich 'den Gegebenheiten anpasst' und die 'taktisch vorgeht' 
  und die schwarz zu weiß macht, wenn es ihr gerade 'nützlich' scheint.

S. 16

Diese Polizei hat nach dem verlorenen Krieg im Postfaschismus weiter gemacht, ohne selbst wirkliche Konsequenzen zu ziehen … 

Der Darkroom dazu: https://lustpaedagogik.blogspot.com/2021/01/darkroom-fur-munchen-beginn-einer.html

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Die Grosse Freiheit?

Bittere Enttäuschung:

Gute Idee, die §175-Geschichte im Film aufzunehmen, aufzunehmen,
auch noch die Form der Polizei-Spitzelei hinter Einweg-Spiegeln, 
die es in München noch bis in die 1970er-Jahre am Stachus gab ...

aber dann kommt ein ewig gewalttätiger "Männer-im Knast"-Film
mit ein-zwei Beziehungs- und Liebesgeschichten dazwischen ...

später ein blödsinniges "Hamburger-Szene" Keller-Sex-Klischee 
wie aus aktuellen amerikanischen Pornos, nach einem Intro in einem Jazz-Keller, 
und ein irgendwo geklauter Schluss mit Stein ins Juwelier-Fenster ...



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